Den Maschinen- und Anlagenbau hat Covid 19 hart getroffen. Laut VDMA schrumpfte die Inlandsnachfrage im Mai um 23 Prozent, die Aufträge aus dem Ausland sanken um 31 Prozent. Schaut man genauer hin, wird jedoch deutlich, dass die Krise nur ein Katalysator bestehender Schwächen und Versäumnisse ist. Die nur halbherzig angegangene Digitalisierung und die nur schleppend vorangehende Entwicklung neuer Ertragsmodelle rächen sich jetzt. Was tun?
Wertschöpfungskette auf den Prüfstand!
An der Automobilbranche lässt sich der Wandel gut illustrieren. Dort bringt die Verbreitung von Elektromobilität und Car Connectivity eine dramatische Reorganisation der Wertschöpfungskette mit sich. Junge Wettbewerber mit digitalen Geschäftsmodellen sind hier nur eine Seite der Medaille. Daneben verändern sich die Kundenbedürfnisse durch die Digitalisierung radikal. In gleichem Maß müssen sich die Zulieferindustrie und die Hersteller von Maschinen und Anlagen darauf einstellen, ihre Kunden zu begleiten, Prozesse zu beschleunigen, effizienter zu werden und über digitale Angebote zusätzliche Einnahmen zu generieren. Digitale Services rücken dabei in den Vordergrund. Sprich: Es reicht nicht mehr aus, Maschinen zu verkaufen. Erfolgreiche Maschinenbauer werden in zehn Jahren Dienstleistungsunternehmen sein.
Manche Industrieunternehmen sind auf dem Weg zum Dienstleistungsprofi weit vorangeschritten. Sie integrieren mit ihren Services horizontal und / oder vertikal entlang der Wertschöpfungskette bzw. investieren massiv in eigene Gesellschaften, um neue Dienstleistungen zu entwickeln. Bei anderen beschränkt sich das Dienstleistungsangebot jedoch auf den Ersatzteilverkauf; wertvolle Services werden pro bono erbracht, viele Kundenbedürfnisse nicht erfüllt.
Plattformökonomie eröffnet neue Möglichkeiten
Schon seit geraumer Zeit ist ersichtlich, dass die Plattformökonomie hinsichtlich digitaler Services eine neue Möglichkeit zur Abwicklung von Geschäftsvorgängen darstellt und immer mehr an Bedeutung gewinnt. „Es ist zu erwarten, dass sich in der Maschinenbaubranche in den kommenden Jahren deutliche Veränderungen und Marktverschiebungen ergeben werden“, sagt Volker Schnittler, Plattformökonomie-Experte der Abteilung Informatik im VDMA. „Dabei wird sich vor allem der Geschäftsbereich verändern, der sich mit Service sowie der Beschaffung von Ersatzteilen und Zubehör befasst.“
Auch wenn nur die wenigsten Unternehmen selbst zum Plattformanbieter werden, ist es doch notwendig, sich damit zu befassen, welche Plattformen sinnvollerweise genutzt werden können und was nötig ist, um sich in einer Welt zurechtzufinden, in der möglicherweise diverse Plattformen adressiert werden müssen, die häufig untereinander nicht kompatibel sind. Der VDMA hat zu diesem Thema ein Whitepaper herausgegeben.
Kundensegmentierung ist Trumpf
Jedes Unternehmen kann die Profitabilität seiner Serviceleistungen schon heute mit wenigen wirksamen Maßnahmen steigern. Darüber hinaus lassen sich durch eigenständige Geschäftsmodelle im Service völlig neue Umsatzströme erschließen. Das setzt jedoch ein sehr gutes Verständnis der Kunden voraus. Unternehmen sollten ihre Kundenbasis insofern sorgfältig analysieren. Die entscheidende Rolle spielt dabei die geeignete Segmentierung gemäß der Kundeneigenschaften: Welche Marktposition hat mein Kunde? Über welche Fähigkeiten verfügt er? Wie trifft er seine Entscheidungen? Auf dieser Basis können Profile erstellt werden, die über den Umgang mit dem Kunden entscheiden. Aus der Analyse der Stärken, Schwächen, Risiken und Motivatoren lassen sich passende Serviceangebote entwickeln. Oft zeigt sich: Das Servicepotenzial ist deutlich höher als das Unternehmen vorher selbst wusste.
Plattformen, Kundenportale und Online-Shops bieten sowohl bei der Kundensegmentierung, der Identifizierung der Kundenwünsche als auch bei der Evaluierung der Service- und Verkaufsprozesse vielfältige Möglichkeiten. Viele Maschinenbauunternehmen widmen der Ausgestaltung der Customer Journey zu wenig Aufmerksamkeit. Es geht nicht um die eigenen Produkte und Angebote, sondern in erster Linie um den Kunden.
Servicevertrieb professionell aufsetzen
Die geeignete Abstimmung von Serviceleistungen auf das Produktgeschäft ist erfolgsentscheidend. Ein Dienstleistungsprofi organisiert das Servicegeschäft aktiv als eigenes Business, indem er etablierte Einzelleistungen standardisiert und zu Serviceprodukten konfiguriert. Es entstehen Smart Services, also Hybridprodukte aus Produkt und begleitender Dienstleistung. Dies setzt einerseits vernetztes Denken und große Offenheit voraus, weil die Kunden und Geschäftspartner damit fester Teil der Unternehmens- und Wertschöpfungsprozesse werden. Andererseits verlieren bei Smart Services auch die alten Preismodelle ihre Gültigkeit. Der Vertrieb muss sich überlegen, wie er die neuen Angebote bepreisen kann.
Service ist ein Führungsthema
Viele Unternehmen haben es versäumt, das Serviceumfeld attraktiv und professionell zu organisieren. Daher fällt es ihnen nun schwer, Positionen im Servicegeschäft geeignet zu besetzen. Zwar haben neue Technologien durchaus das Potenzial, das Servicemanagement ressourceneffizienter zu organisieren – zu denken ist etwa an Remote-Guidance-Lösungen auf Basis von Augmented Reality. Doch damit verändern sich auch die Anforderungen an die Kompetenzen der Servicemitarbeiter. Dies gilt es zu organisieren.
Die strategische Transformation vom Maschinenbauer zum Anbieter von Dienstleistungen muss zudem nicht nur gestaltet, sondern auch verantwortlich umgesetzt werden. Nicht immer sind die Kompetenzen und Managementressourcen im Unternehmen verfügbar. Außerdem ist die Geschäftsführung stets nach wie vor ins operative Geschäft eingebunden. Professionelle externe Managementunterstützung kann diesen Engpass auflösen und zusätzlich Transformationserfahrung und neue Ideen einbringen.