Die Pandemie und Digitalisierung zwingen zu mehr Kommunikation

Bert Klingsporn, Digital Business Consultant, und Sascha Hackstein erläutern, weshalb Kommunikation in Zeiten des Social Distancing für jedes Unternehmen mehr denn je zu einem entscheidenden Erfolgskriterium wird.

Sascha Hackstein: Kommunikation entscheidet über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Der durch die Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub und die explodierenden Zahlen im Online-Geschäft erhöhen die Bedeutung von Kommunikation um ein Vielfaches. Doch auf der Suche nach den Stellschrauben, die einen Wettbewerbsvorteil bringen, wird Kommunikation oft vernachlässigt. Häufig bleiben viele Möglichkeiten ungenutzt. Umso erstaunlicher ist es, dass in vielen Unternehmen die Kommunikation als zusätzliche Aufgabe oder Nebenjob behandelt wird. Die Hidden Champions machen sich viel zu selten bemerkbar und vergeben dadurch zahlreiche Chancen, neue Märkte und Kundengruppen zu erobern.

Bert Klingsporn: Zum einen ist die digitale Sichtbarkeit und Verfügbarkeit jetzt überlebensnotwendig. Schon bisher waren unzureichende Produktbeschreibungen im E-Commerce oder eine fehlende Sichtbarkeit in Suchsystemen mindestens eine Customer-Experience-Sünde. Wenn Vertriebsmitarbeiter ihre B2B-Kunden jetzt aber nicht mehr besuchen können und B2C-Kunden nicht mehr im stationären Handel einkaufen, dann muss jede noch so kleine Hürde in den digitalen Kanälen umgehend beseitigt werden. Wer schon einen Online-Handel hat, muss diesen priorisieren und die Funktionsfähigkeit sicherstellen.

Zum anderen sahen sich die Unternehmen auch schon vor Corona neuen Kundengruppen und Wettbewerbern gegenüber. Bestes Beispiel ist hier der Markteintritt des Heizungsbauers Thermondo, der als Komplettanbieter die Vertriebsschnittstelle zum Endkunden hält und in kürzester Zeit eine Marke als Problemlöser aufgebaut hat. Der neue Wettbewerber hat erkannt, dass es viele Endkunden womöglich nicht interessiert, welcher Name auf dem Heizkessel steht, sondern ein Heizungswechsel soll in erster Linie problemlos funktionieren. Wie halten Hersteller jetzt den Kontakt zu Installateuren und wie kommunizieren sie mit den Endkunden?

Ein weiteres Beispiel ist CEWE. Der Fotodienstleister musste sich aufgrund des Siegeszugs der Digitalfotografie in ein Markenunternehmen und einen Digitalexperten wandeln. Dafür mussten digitale Produkte geschaffen, eine eigene Marke aufgebaut und mit dem Endkunden kommuniziert werden.

Sascha Hackstein: Eine solche Metamorphose wie bei CEWE betrifft das gesamte Unternehmen, alle Prozesse und Strukturen. Tatsächlich sind solche Strategien im Mittelstand aber nur selten erkennbar. Operative Maßnahmen sind folglich kaum zielgerichtet. Der eingesetzte Aufwand verpufft – die Folge ineffektiv eingesetzter Budgets und mangelnder Ansprache des Marktes. Für die Umsetzung und Steuerung der gesamten Kommunikation sollte ein Konzept mit einem Maßnahmenplan vorliegen, damit nicht wahllos kommuniziert wird.

Bert Klingsporn: Das ist richtig und der durch Corona forcierte digitale Wandel betrifft spätestens jetzt das ganze Unternehmen. Es muss sich noch intensiver und umfassender als bisher mit der Frage befassen: Warum soll der Kunde gerade bei uns kaufen? Die kompromisslose Kundenorientierung wird hier zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal. Nehmen Sie als Beispiel die Firma Thomann Musikinstrumente aus Treppendorf bei Bamberg. Das 1954 gegründete Unternehmen ist mit einem Ladengeschäft gestartet, das heute ein „Campus“ ist, in dem sich Musiker treffen. Thomann ist heute einer der größten digitalen Player in Deutschland mit rund elf Millionen Kunden. Seit 2012 wurde das Unternehmen jedes Jahr mit dem Deutschen „Onlinehandel Award“ in der Kategorie „Sport und Freizeit“ ausgezeichnet. 2019 lag es vor Thalia und Adidas auf Platz 1 und wurde sogar Gesamtsieger über alle Kategorien hinweg. Der Preis beruht auf einer Auswertung von über 15.000Kundenbewertungen zu über 120 Online-Anbietern. Grund für den Erfolg ist eine einzigartige Kundenorientierung unter dem Motto „Wert für den Kunden schaffen“ .Dazu gehört unter anderem, dass alle relevanten Mitarbeiter, zum Beispiel in der Beratung, selbst Musiker sind – ein enormes Plus für jeden Kundenkontakt.

Ähnliche Erfolge sieht man zum Beispiel bei Elektro-Conrad mit seiner Experten-Community von Kunden. Auch CEWE bezieht seine Kunden durch vielfältige Maßnahmen ein:Kunden laden Beispiele ihrer Kreationen als Inspiration für andere auf dieWebsite und treten sogar mit ihren selbst geschaffenen Werken in TV-Spots für das Unternehmen auf. Auf diese Weise werden Kunden zu Fans und Botschaftern desUnternehmens.

Sascha Hackstein: Erfolge in der Kommunikation stellen sich ein, wenn klar ist, welche Zielgruppe mit welchen Kernbotschaften erreicht werden soll. Die starke Produkt- und Vertriebsorientierung der Kommunikation im Mittelstand lässt derzeit große Potenziale brachliegen. Ebenso wird bei den eingesetzten Maßnahmen häufig noch auf tradierte Muster gesetzt. Nur ein Unternehmen, dass eine Zielgruppen kennt, kann zielorientiert und nachhaltig agieren – Stichwort „kreative Content-Planung“.

Bert Klingsporn: In vielen Branchen werden bereits über 50 Prozent des Online-Shoppings mobil getätigt, also über Smartphones oder Tablets. Die digitalen Kontaktpunkte mit dem Kunden wie Suchmaschinen, Blogs, Social Media, Bewertungsportale oder Websites explodieren und müssen in ihrer Relevanz bewertet und bedient werden. Das Wissen um den Kunden wird zum wertvollsten Asset von Marketing und Vertrieb. Deshalb gründen immer mehr Unternehmen etwa Inhouse-Agenturen für verschiedene Kanäle. Dadurch sind sie schneller, können maßgeschneidert kommunizieren und behalten das Kundenwissen im Haus. Für Unternehmen, denen die internen Ressourcen oder Kompetenzen fehlen, empfiehlt sich die Hinzuziehung externer Experten

Sascha Hackstein: Wir haben sofort mit der Gründung von Berndtson Interim in die Kommunikation investiert, mit dem Fokus auf Ziele und Maßnahmen in der Marktkommunikation und in der internen Kommunikation. Für den Start waren ein Kommunikationsbudget und externe Unterstützung notwendig. Inhaltlich dreht sich unsere Kommunikation um drei zentrale Themen: Zukunft, Technologie/Innovation und Menschen. Wir berichten über unsere Kunden – was fühlen und denken sie? Was erwarten sie? – und über die Branchen und Märkte, in denen sie sich bewegen. Damit zeigen wir, dass wir nicht nur Sparringspartner sind, sondern ein Umsetzungspartner, der Marktveränderungen und die daraus resultierenden Chancen und Risiken frühzeitig erkennt und aufgreift.

Bert Klingsporn: Sie haben gerade ein wichtiges Stichwort genannt: die interne Kommunikation. Gerade wegen der starken Veränderungen, welche die Corona Krise für das gesamte Unternehmen mit sich bringt, spielt auch die Kommunikation nach innen, in das Unternehmen hinein eine entscheidende Rolle. Was bedeutet das für jeden Mitarbeiter? Wie kann man bei der Veränderung mitwirken? Wo steht das Unternehmen? Um nur einige der Fragen zu nennen, deren Beantwortung in der internen Kommunikation geleistet werden sollte. Nach allem was wir derzeit wissen, werden uns die Corona-Pandemie und die dadurch induzierten Veränderungen noch weit bis in das Jahr 2021 hinein beschäftigen.

„Bert Klingsporn ist Certified Management Consultant (CMC/BDU) mit Schwerpunkt Digital Strategy & Transformation und bringt über 20 Jahre Beratungs- und Führungserfahrung in der Digitalisierung von Marketing, Vertrieb und Service mit. Er berät führende Unternehmen in digitalen Aufgabenstellungen und begleitet umfassende Transformationsprogramme. Herr Klingsporn ist Diplomkaufmann, Executive MBA in Information Management und Mitglied im Fachkreis „Unternehmensführung und Marketing“ des BDU.“

Nov 6, 2020
Sascha Hackstein
Bild:
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