Kapazitäts- und Versorgungsengpässe, Shutdowns in der Produktion sowie Einbrüche auf der Marktseite bringen Supply Chains aus dem Takt und führen teilweise zum Stillstand. Sascha Hackstein, Geschäftsführer Berndtson Interim, und Stefan Treiber, Geschäftsführer candidus management consulting, empfehlen, sich schon in der Krise auf deren Ende vorzubereiten.
Die Unternehmen befinden sich aktuell im Krisenmodus. Welchen Herausforderungen müssen sich die Entscheider stellen?
Stefan Treiber: Der Shutdown stellt die Unternehmen im Wesentlichen vor drei Herausforderungen. Erstens müssen sie einschätzen, ob die durch die Krise offensichtliche Absatzschwäche temporär oder permanent sein wird. Die Autoindustrie zum Beispiel ist stark marktgetrieben und momentan denkt wahrscheinlich kaum jemand daran, sich ein Auto zu kaufen, ganz abgesehen davon, dass die Verkaufsniederlassungen geschlossen sind, aber was wird nach der Krise passieren? Zweitens brechen die Lieferketten ab. Etwas dagegen zu unternehmen ist schwierig, weil häufig die Transparenz fehlt. Die OEMs haben zwar ihren Tier 1 im Blick, aber nicht mehr den Tier 2,3 oder 4. Alternative Lieferanten müssen erst qualifiziert werden und es wird schwierig sein, Lieferanten zu finden, die nicht von der Krise betroffen sind. Die dritte Herausforderung sind die Mitarbeiter. Möglicherweise gibt es Quarantänefälle. Um den nötigen Abstand zu wahren, muss gegebenenfalls die Arbeitsorganisation umgestellt werden.
Sascha Hackstein: Es geht darum, die Supply Chain während der Krise abzusichern und Anpassungen von Tag zu Tag vorzunehmen. Kritische Komponenten müssen bestimmt, der originale Ursprung erfasst und das Ausfallrisiko abgewogen werden. Befinden sich die Lieferanten in vom Virus stark betroffenen Gebieten, sollte vorsichtshalber nach alternativen Quellen gesucht werden. Bestände müssen geprüft, marktseitige Szenarien betrachtet werden, um eine realistische Ordervorhersage treffen zu können. Eventuell müssen andere Logistikkapazitäten gesichert werden. Darüber hinaus muss die Liquiditätsentwicklung geprüft und im Auge behalten werden. Der Cashflow muss gewährleistet sein, wenn die Umsätze zurückgehen oder ganz ausbleiben. Kosten müssen gesenkt werden. Bewerten Sie die Risiken in Ihrer Supply Chain neu und halten Sie engen Kontakt zu Lieferanten und Kunden.
Irgendwann wird die Krise zu Ende sein. Geht es dann weiter wie bisher?
Stefan Treiber: Die Frage ist doch, wie wir die Krise als Chance für Wettbewerbsvorteile nutzen und welche Lessons Learned wir aus der aktuellen Krise ableiten können, um die Supply Chain nachhaltig zu stärken. Darüber muss man sich schon jetzt Gedanken machen. Man darf sich nicht im Krisenmanagement verlieren, sondern muss den Blick schon in der Krise auf die Zukunft richten. Der Fokus muss dabei immer auf der Frage liegen: Was bringt Mehrwert? Bereits jetzt ist zum Beispiel absehbar, dass die Krise einen Digitalisierungsschub bringen wird mit Fokus auf der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Auch unsere Zusammenarbeit wird sich verändern, denn virtuelle Meetings und deren Effektivität werden deutlich zunehmen, nachdem in der Krise alle gezwungen waren, hier dazuzulernen.
Sascha Hackstein: Ich glaube nicht, dass es nach der Krise weitergeht wie bisher. Sie hat uns nicht nur in der Supply Chain Schwächen gezeigt, um die wir uns kümmern müssen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, die Dinge auf Basis unserer Erfahrungen in der Krise zu überdenken, neu zu bewerten und uns besser aufzustellen als vorher. Unsere Unternehmen als Ganzes werden sich verändern – Struktur, Führung, Zusammenarbeit, Kommunikation. Je früher wir uns darauf vorbereiten, desto besser.
Welche Maßnahmen schlagen Sie konkret vor?
Stefan Treiber: Die Unternehmen sollten frühzeitig ein Recovery Programm vorbereiten. Dafür sehe ich fünf Handlungsfelder: Kundennachfrage abschätzen und in Szenarien abbilden, Materialverfügbarkeit absichern und Lieferketten hinsichtlich Resilienz überprüfen, Produktionskapazitäten eng planen und steuern, Motivation und Führung entsprechend ausrichten und regelmäßig kommunizieren, Cashflow eng managen und strategische Initiativen hinsichtlich Chancen priorisieren. Innerhalb dieser Handlungsfelder bringt vor allem die Steigerung der Agilität durch Verkürzen von Durchlauf- und damit Reaktionszeiten einen strategischen Wettbewerbsvorteil. Mittelfristig geht es darum, die Erfahrungen aus der Krise zu nutzen, um die eigene Wettbewerbsposition dauerhaft und nachhaltig zu stärken. Mit unserem Recovery Scan und einem modular aufgebauten, individuell anpassbaren Recovery Program unterstützen wir Sie gerne.
Sascha Hackstein: In einer Krise zeigen sich die Schwächen einer Organisation, sei es auf der Prozess-, auf der Organisations-, der Führungs- oder der Finanzebene. Es ist unerlässlich, dass wir diese Schwächen aufspüren und beseitigen. Gleichzeitig bietet die Krise jedoch die Chance, den täglichen Trott zu verlassen, neue Schwerpunkte zu setzen, uns mit anderen Methoden, Instrumenten, Arbeits- und Vorgehensweisen auseinanderzusetzen. Wir können jetzt lernen, Schranken niederzureißen, Unabhängigkeit und Querdenken zu fördern und Dinge auszuprobieren. Ich empfehle Ihnen, sich in der Krise auch die Zeit für Innovation zu nehmen. Erfahrene Berndtson Interim Manager begleiten Sie sowohl bei der Erstellung und Umsetzung Ihrer Recovery-Programme als auch bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen.
Stefan Treiber: Die Kernbotschaft ist: Es gibt in einer Krise immer Gewinner und Verlierer. Wenn Sie zu den Gewinnern gehören möchten, müssen Sie sich jetzt vorbereiten, damit Sie einen Masterplan haben, wenn die Krise zu Ende geht.