Unternehmen erhalten statt verwerten

StaRUG ermöglicht Sanierung ohne Insolvenzverfahren

Wenn ein Unternehmen in Schieflage gerät, ist schnelles Handeln geboten. Doch viele Unternehmer und Geschäftsleitungen verschließen gerne die Augen bis es zu spät ist. Anstatt bei den ersten Anzeichen von Gefahr alle Kräfte auf die ganzheitliche Restrukturierung des Unternehmens und die Überarbeitung des Geschäftsmodells zu konzentrieren, versuchen sie – teilweise mit eigenem Geld – zu retten, was nicht mehr zu retten ist, immer mit der Angst vor der Insolvenz im Nacken. Mit einem neuen Gesetz haben Unternehmen nun seit Januar 2021 die Möglichkeit, sich innerhalb eines gesetzlich geschützten Rahmens ohne Insolvenzverfahren frühzeitig grundlegend zu sanieren.

Insolvenz neu denken

Durch das StaRUG muss Insolvenz neu gedacht werden. In Deutschland werden  Unternehmen, die in die Insolvenz geraten sind, nach wie vor meistens zerschlagen oder liquidiert – die Sanierungsidee ist noch nicht sehr ausgeprägt. Mit dem StaRUG setzt der Gesetzgeber aber auf den Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen, obwohl der große Wurf verpasst wurde. Unternehmen bekommen insgesamt betrachtet mehr Optionen und behalten das Heft des Handelns weitgehend in der Hand. Der Makel der Insolvenz entfällt und damit auch mögliche negative Folgen eines Insolvenzverfahrens.

Die Änderungen im Insolvenzrecht von 1999 und 2012 haben zwar Verbesserungen gebracht, doch mit dem Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) geht der Gesetzgeber jetzt noch einen Schritt weiter. Herzstück des Gesetzes ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG). Es soll dabei helfen, Unternehmenskrisen frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Es bietet den Unternehmen eine  Sanierungsoption außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Der Gesetzgeber möchte mit dem Gesetz ein gänzlich neues Regelungssystem für Restrukturierungen in Deutschland schaffen. Es handelt sich um ein komplexes und beratungsintensives Gesetz. Unternehmen sollten sich damit befassen, um im Krisenfall keine Chance zu verpassen.

Rettungsmöglichkeiten durch Früherkennung

StaRUG kommt für Unternehmen infrage, die „drohend zahlungsunfähig“ sind, aktuell zwar noch alle Verbindlichkeiten bedienen können, aber befürchten, das künftig nicht mehr tun  zu können, sich also auch in Zukunft tatsächlich in einer wirtschaftlichen Krise befinden. Mit dem StaRUG werden sich auch Änderungen in der Insolvenzordnung (InsO) ergeben. Künftig werden für die Überschuldung – und damit für die Insolvenzeröffnungsgründe – andere Fristen eine Rolle spielen. Die Haftungsvorschrift in § 64 GMBH-Gesetz, Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, werden dann in der InsO geregelt. Der Regelprognosezeitraum für drohende Zahlungsunfähigkeit beträgt dann 24 Monate und bei Überschuldung 12 Monate. Sobald der Unternehmer zum Beispiel feststellt, dass er in zu große Abhängigkeit von wenigen Auftraggebern gerät, Kreditlinien am Anschlag sind, Umsatz und Gewinn seit längerer Zeit schrumpfen, sollte er den Weg in den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen suchen. Ist das Unternehmen erst einmal zahlungsunfähig, ist dieser Weg versperrt.

Damit setzt StaRUG sehr früh an, perspektivisch über zwei Jahre. Das heißt, wer in zwei  Jahren oder innerhalb von zwei Jahren eine akute Krise oder die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens befürchtet, ist verpflichtet, schon sehr frühzeitig Hilfe zu suchen und ein  Sanierungsverfahren mit entsprechenden Maßnahmen in Gang zu setzen. Dies ist sicherlich ein Riesenvorteil und vielleicht auch das, was die EU bezweckt, nämlich die Vermögenswerte zu schützen. Höhere Vermögenswerte bedeuten normalerweise auch bessere Optionen oder Quoten für die Gläubiger und den Erhalt von Arbeitsplätzen, weil ein sanierungsbedürftiges Unternehmen eben nicht vom Markt verschwindet.

Kernstück Restrukturierungsplan

Der Restrukturierungsplan bildet den Kern der im StaRUG vorgesehenen Maßnahmen. Er bietet nahezu dieselben Möglichkeiten wie ein Insolvenzplan und ist diesem inhaltlich sehr ähnlich, setzt aber stark auf Langfristigkeit. Schließlich geht es nicht um die Liquidierung, sondern um die Stabilisierung des Unternehmens und damit um seine Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit. Der Restrukturierungsplan muss darstellen, dass der angestrebte Sanierungsweg für Unternehmen und Gläubiger sinnvoll und erfolgversprechend ist. Er sollte zwei Arten von Maßnahmen umfassen: Zum einen wird es um Tilgungsaussetzung, Verzicht der Gläubiger und Mittelzufluss gehen. Zum anderen aber um operative Restrukturierungsmaßnahmen und um die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit.

In diesem vorgeschalteten Verfahren kann ein Restrukturierungsbeauftragter als Aufsichtsperson bestellt werden, zum Beispiel wenn der Schuldner oder 25 Prozent der Gläubiger dies beantragen. Der Restrukturierungsbeauftragte ist gesetzlich mit sinnvollen Begleitungs- und Überwachungstätigkeiten ausgestattet. Allerdings kann ihm ein Gericht auch sehr weitreichende Rechte und Befugnisse zusprechen, die ihn dann fast so mächtig machen wie einen Insolvenz- oder Sachverwalter. Der Restrukturierungsbeauftrage ist keine Rolle, die der CEO einnehmen kann, da er der Unternehmensvertreter und damit parteiisch ist. Außerdem ist eine Listung bei Gericht erforderlich, denn der Restrukturierungsbeauftragte muss auch in der Lage sein, ein Insolvenzverfahren zu führen, abzuwickeln oder in der Insolvenz zu sanieren.

Außerdem kann das Gericht einen Gläubigerbeirat einsetzen, der den Restrukturierungsberater mit einstimmigem Beschluss binden vorschlagen kann. Dem Gläubigerbeirat soll die Geschäftsführung auch unterstützen und überwachen. Wie sich die notwendige Zusammenarbeit zwischen Restrukturierungsbeauftragtem und Gläubigerbeirat  gestaltet, wird sich in der Praxis entwickeln müssen.

Nicht der große Wurf

Ein wesentlicher Unterschied in diesem Verfahren ist, dass es sich um kein Kollektivverfahren handelt. In den bisherigen Insolvenzverfahren konnten einzelne Gläubiger, sogenannte Akkordstörer, Sanierungspläne aushebeln.  Mit StaRUG geht das nicht mehr so einfach. Allerdings sind die Gestaltungsmöglichkeiten des Planerstellers trotzdem eingeschränkt, denn gegen die Mehrheit der Gläubiger nach Stimmrechten, das heißt Forderungsbeträgen, ist eine Planverabschiedung nicht möglich. Im Entwurf des Gesetzes sah das noch anders aus. Danach hätte eine Mehrheit der Gläubiger von 75 Prozent ausgereicht, um den Maßnahmen eines Restrukturierungsplans zuzustimmen.

Ebenfalls gestrichen wurde die im Entwurf noch enthaltene Möglichkeit von Vertragskündigungen, auch gegen den Willen des Vertragspartners, zum Beispiel von langlaufenden Miet- oder Leasingverträgen. Ein Händler, dessen Sanierungskonzept beispielsweise darauf basiert, künftig 50 Prozent seiner Erträge online zu erzielen, wird Läden schließen müssen. Jetzt muss er die Miete für leerstehende Läden bis zum Vertragsende weiterzahlen. Auf diese Weise hat das Unternehmen hohe Aufwendungen, die als Zukunftsinvestitionen fehlen. Der Gesetzgeber hat hier jedoch die Verlässlichkeit unseres Vertragssystems im Blick.  

Unternehmenszahlen im Blick behalten

Auch wenn das Gesetz abgespeckt wurde und die Haftungserweiterungen dem Rotstift zum Opfer gefallen sind,  werden sich Geschäftsführer und Leitungsorgane sehr viel stärker als bisher mit dem Thema Krise befassen und sich um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens kümmern müssen. Nur so kann dieses vorinsolvenzliche Verfahren genutzt werden, um durch eine frühzeitige Sanierung einem Insolvenzverfahren zu entgehen und das Unternehmen zu erhalten. Im Klartext geht es um die Frage: Besteht in den nächsten 24 Monaten eine drohende Zahlungsunfähigkeit? Geschäftsführer werden sich viel stärker als bisher mit der Liquiditätsplanung und der Unternehmensentwicklung befassen müssen, wenn sie ihr Unternehmen schützen möchten. Aussagekräftige Unternehmenszahlen werden wichtiger denn je.

Auswirkungen auf Unternehmen:

  • Wir alle müssen Insolvenzantragspflichten neu lernen. Es geht nicht mehr um die Liquidierung von Unternehmen, sondern um deren  Erhalt und langfristige Stabilisierung.
  • Mit StaRUG haben Unternehmen die Möglichkeit zur Sanierung ohne Insolvenz. Dafür muss die Geschäftsleitung vorausdenken, die Liquiditätsentwicklung im Auge behalten und bei sich abzeichnenden Problemen frühzeitig und schnell reagieren.
  • Die Unternehmen werden vorausschauend  Restrukturierungsprogramme aufsetzen, um schnell und langfristig wieder auf die Beine zu kommen.
  • Für die Vorbereitung und Durchführung von Restrukturierungsmaßnahmen und die Umsetzung der aufgelegten Programme wird ein erhöhter Ressourcenbedarf erwartet. Darauf müssen sich die Unternehmen frühzeitig vorbereiten und die notwendigen Ressourcen im Voraus organisieren.

Berndtson Interim stellt Ressourcen bereit, orchestriert und sichert Nachhaltigkeit

Unsere Experten setzen sich laufend mit den Inhalten und den praktischen Möglichkeiten auseinander, die das neue Gesetz bietet. Gemeinsam mit den Unternehmen wägen wir die verschiedenen Optionen und Erfolgschancen unterschiedlicher Sanierungsverfahren ab. Als Impulsgeber der Weiterentwicklung unterstützen wir die Handlungsfähigkeit und künftige Wettbewerbsstärke durch die Analyse sowie die Identifikation wachstumsrelevanter, erfolgs- und unternehmenskritischer Themenfelder.

Unsere erfahrenen Experten übernehmen interimistisch eine operative Managementfunktion zur Führung von Restrukturierungen und Sanierungen. In Restrukturierungsprogrammen sind Analyse, Problemlösungsvorschläge und Umsetzung wichtig. Meistens mangelt es jedoch an der Umsetzung. Interim Manager gehen in die Umsetzungsverantwortung. Der externe Manager greift ins operative Tagesgeschäft ein und übernimmt Durchführungsverantwortung. Er bringt Erfahrung in vergleichbaren Situationen mit, die das eigene Management für die unmittelbar anstehenden Aufgaben nicht zur Verfügung stellen kann. Unsere Manager haben ein tiefgreifendes Verständnis für den Markt, die Branche, die Unternehmenskultur und die Gesellschafter. Sie verfügen über eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, die für die Zusammenarbeit mit verschiedenen Stakeholdern nötig ist.

Berndtson Interim – Die Ressourcenmanager für kritische Unternehmensprozesse

Jan 17, 2021
Sascha Hackstein
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