Digitalisierung, stark veränderte Kundenerwartungen, demografischer Wandel, Niedrigzinsumfeld und der Markteintritt neuer Wettbewerber zwingen die Versicherungsbranche dazu, neue Services und Produkte zu entwickeln und an ihren Geschäftsmodellen zu arbeiten. Im Mittelpunkt steht dabei der Kunde, der nicht nur eine hohe Wechselbereitschaft aufweist, sondern vor allem viel höhere Erwartungen bezüglich sofort verfügbarer Kommunikation und Leistung hat.
Wertschöpfungskette bricht auf
Zur Erfüllung dieser Erwartungen kommen InsurTechs als Partner in Betracht. Dies sind Start-ups, die für die Nutzung moderner Technologien in der Versicherungsbranche stehen. 2018 wurden in InsurTechs 82 Millionen Dollar investiert. Sie greifen zwar teilweise die Kern-Wertschöpfung der etablierten Versicherer an, entwickeln aber oft Geschäftsideen, die an die Versicherer-Wertschöpfungskette angebunden werden – eine Chance für die etablierten Player. Stichworte sind hier Peer-to-Peer Insurance, Health Insurance, Usage Driven Insurance, Spot Insurance, E-Commerce Insurance und Contract Management/Brokerage. Eine Entwicklung wie in der Bankenbranche, in der sich Banken Kooperationen mit FinTechs eingehen, wird auch in der Versicherungsbranche sichtbar. Aber auch andere Marktteilnehmer wie Automobilhersteller oder Internet-Konzerne wie Amazon machen den Versicherern das Leben schwer. Amazon wird innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre eine Hausratversicherung anbieten, voraussichtlich gebündelt mit Alexa günstig oder sogar kostenlos. Kfz-Versicherungen werden zunehmend von Autoherstellern angeboten. Durch Car-Sharing-Angebote und Mobilitätsplattformen wird der Trend zur Flottenversicherung, Pay-per-use- oder Peer-to-Peer-Lösungen gehen. In der Lebensversicherung oder privaten Krankenvollversicherungen zwingt das Niedrigzinsumfeld dazu, sich mit neuen, an den Kapitalmarkt angelehnten Produkten zu befassen.
IT muss sich entwickeln
Angesichts der Veränderungen im Umfeld der Unternehmen und in den Unternehmen selbst, muss sich die IT vor allem in zwei Dimensionen entwickeln: Zum einen muss sie zum internen Dienstleister werden, der kostenbewusst und verlässlich die bestehenden IT-Services und Kernsysteme (Legacy) betreibt. Zum anderen müssen IT-Verantwortliche zu Treibern für IT-Transformationsprojekte und zu businessrelevanten Umsetzern für zukünftige Innovationen werden. Nur so können die Aufgaben der digitalen Transformation erfüllt werden. Manager setzen hier auf externe Dienstleister.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Digitalisierung und Automatisierung sind in der Versicherungsbranche inzwischen weit fortgeschritten, doch es bleibt nach wie vor Luft nach oben. Nur mit konsequenter Exzellenz in den operativen Prozessen können Kosten gespart und eine bessere Kundenbetreuung ermöglicht werden. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird sich besonders in der Kundenkommunikation und den Vertriebskanälen positiv auswirken, auch wenn bei komplexen Produkten wie Lebensversicherungen nach wie vor eine persönliche Beratung durch Menschen erwartet wird.
Cross Channel für die nahtlose Kundenerfahrung
Kunden erwarten heute auch bei Versicherern eine Erreichbarkeit 24/7 und einen problemlosen Wechsel zwischen den digitalen und analogen Kanälen sowie maximale Bedienerfreundlichkeit. InsurTechs können dabei unterstützen, besonders wenn es um mobile Anwendungen, Chatbots, Apps und Co. geht.
Neue Geschäftsmodelle
Digitalisierung ermöglicht eine exaktere Risikobewertung und damit individuellere und passgenauere Versicherungen. Risikoarmes Verhalten kann mit günstigeren Tarifen belohnt werden. So können Daten auf freiwilliger Basis erhoben werden. Kurzzeitversicherungen ermöglichen eine Anpassung der Versicherung an den Bedarf der Kunden.
Herausforderungen: Spagat notwendig
Es geht für Versicherer darum, das operative Geschäft weiter zu optimieren und zu entbürokratisieren sowie gleichzeitig neue digitale Geschäfte und Services aufzubauen. Hinzu kommt der Spagat zwischen der Nutzung der Digitalisierung und der Einhaltung von regulatorischen und gesetzlichen Vorgaben wie Solvency II, EU-Vermittler-Richtlinie, Verbraucher- und Datenschutz. In der Studie „Versicherungstrends 2020“ betrachteten 91,9 Prozent der befragten Versicherungsmanager dies als wichtigste Herausforderung für die Branche. Über vier Fünftel der Manager halten in erster Linie „Security“ und „Standardisierung und Konsolidierung der IT-Systeme für Themen und Technologien, in die in Zukunft am stärksten investiert wird.
Erstaunlich ist an den Ergebnissen der Studie, dass die befragten Manager nach wie vor der Meinung sind, dass die klassischen Eigenschaften wie Beratungsqualität, Markenimage, Kundennähe und Geschwindigkeit der Schadenbearbeitung und der Kundenkommunikation entscheidend für die Differenzierung vom Wettbewerb sind. Und trotz aller Begeisterung und positiver Prognosen für die neuen Technologien sehen die Manager bis 2020 keine deutlichen Veränderungen im Vertrieb und in der Kundenkommunikation über Agenturen, Makler und andere Vertriebspartner: Apps, Online-Kanäle, Portale und Web-Vergleichsinstrumente spielen eine bedeutende Rolle, aber nicht die entscheidende.
Wo bleibt die Kulturveränderung?
Der Angriff der neuen Wettbewerber auf die Wertschöpfungskette macht deutlich, dass sich etwas tun muss. In der Versicherungsbranche werden durch die Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen, doch gleichzeitig werden mehr Mathematiker und Wirtschaftsinformatiker gebraucht sowie gut und anders ausgebildete Querdenker, die erst noch für die Branche begeistert werden müssen. Beschäftigte mit Erfahrung müssen mitgenommen und weiterentwickelt werden. Gleichzeitig ist es notwendig, für junge Mitarbeiter mit neuen Qualifikationen attraktiv zu sein und eine passende Arbeitswelt zu bieten.
Hilfe erwarten die Manager dabei laut Studie von Managementberatungen in der Frontoffice-Optimierung, in Strategieentwicklung und -umsetzung. Dabei erwarten die Manager sowohl Technologiekompetenz als auch Kompetenz in IT-Strategie und Umsetzung von Beratungskonzepten in IT-Prozesse. Die Trennung von Konzept und Umsetzung weicht dem Wunsch nach ganzheitlichen Konzepten.